Hintergrundinformationen
Warum, was und wie?
(Bild: Gerd Altmann auf Pixabay)

Übersicht
In dieser Lerneinheit werden wir uns mit den Gründen beschäftigen, die Markus bewogen haben, sein Evangelium zu schreiben, werden seine wichtigsten Themen herausstellen und seinen Schreibstil analysieren. Diejenigen Wissenschaftler, die das Markus-Evangelium in die Mitte der 60er und 70er Jahre n. Chr. datieren, nehmen an, dass Markus es verfasste, um die Christen zu stärken, die wegen ihres Glaubens unter Kaiser Nero verfolgt wurden.
Die Hauptthemen des Markus-Evangeliums sind:
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Jesu Selbstverständnis
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der Weg Jesu
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Jüngerschaft Jesu
Lernziele
Sie werden diese Lerneinheit erfolgreich abgeschlossen haben, wenn Sie
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den Grund erläutern können, warum Markus sein Evangelium geschrieben hat;
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den Schreibstil des Markus beschreiben können;
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die drei Hauptthemen des Evangeliums benennen können.
Warum?
Im Gegensatz zu Lukas und Johannes, die uns ihre Gründe für die Abfassung ihrer Evangelien nennen, sagt Markus uns nicht, was ihn zum Schreiben bewogen hat. Heutzutage wird allgemein die These vertreten, dass Markus nicht nur in Rom, sondern auch für die dort lebenden Christen schrieb. Der Kirchenvater Clemens von Alexandrien überliefert, dass Markus von den Christen in Rom gebeten wurde, die Erzählungen des Petrus aufzuschreiben. Erinnern Sie sich, dass Markus und Petrus in Rom zusammengearbeitet haben.
Wenn Markus sein Evangelium in den 60er oder 70er Jahren geschrieben hat, dann ist es durchaus möglich, dass er es verfasste, um die Christen in der damals beginnenden Christenverfolgung zu stärken. Im Jahr 64 n. Chr. brach in Rom ein verheerendes Feuer aus, das einen Großteil der Stadt zerstörte. Es kursierten Gerüchte, dass Kaiser Nero dafür verantwortlich sei. Vermutlich um von sich abzulenken, beschuldigte Kaiser Nero die Christen, ließ sie verhaften und töten. Während dieser Verfolgung wurden Petrus und Paulus gefoltert. Vermutlich schrieb Markus also nicht nur, um die Erzählungen des Petrus für die Nachwelt zu erhalten, sondern auch, um den Christen zu helfen, in dieser schwierigen Zeit ihrem Glauben treu zu bleiben. Er stärkte sie darin, Verfolgung und sogar den Tod um Jesu willen zu erleiden.
Ein interessantes Detail, das diese These stützt, ist die Anmerkung des Markus, dass Simon von Zyrene der Vater von Alexander und Rufus war.
Einen Mann, der gerade vom Feld kam, Simon von Kyrene, den Vater des Alexander und des Rufus, zwangen sie, sein Kreuz zu tragen. (Mk 15, 21)
Erinnern Sie sich, dass Jesus sein Kreuz selbst tragen musste, bevor er gekreuzigt wurde. Aber er war schon so geschwächt, dass die römischen Soldaten Simon von Kyrene zwangen, es an seiner Stelle zu tragen. Die anderen Evangelien erwähnen diese Tatsache ebenfalls, aber nur Markus nennt die Namen der Söhne. Warum sollte er die tragische Erzählung von Jesu Kreuzigung unterbrechen, um uns mitzuteilen, dass Simon der Vater des Rufus war? Dies deutet darauf hin, dass die Adressaten, die Markus im Blick hatte, den Rufus kannten, das heißt, die Christen in Rom. Weitere Belege dafür finden wir im Römerbrief des Paulus. Er schreibt:
Grüßt Rufus, der vom Herrn auserwählt ist; grüßt seine Mutter, die auch mir zur Mutter geworden ist! (Röm 16, 13)
Könnte damit der gleiche Rufus gemeint sein? Viele Wissenschaftler bejahen diese These. Obwohl wir also wahrscheinlich nie sicher wissen werden, wann Markus sein Evangelium geschrieben hat, gibt es inner- und außerbiblische Hinweise dafür, dass er es für die Christen in Rom verfasste.
Was?
Was ist die Botschaft des Markus? Meine Zusammenfassung des Markus-Evangeliums in zwei Sätzen lautet wie folgt: Jesus, der Messias und Sohn Gottes, kam in diese Welt, um uns von der Sünde zu erretten, indem er litt, abgelehnt und getötet wurde und nach drei Tagen zum Leben auferstand. Er ruft seine Jünger auf, ihrerseits ihr Kreuz auf sich zu nehmen und ihm zu folgen.
In dieser Zusammenfassung finden sich die drei Hauptthemen, die Markus wichtig sind:
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das Selbstverständnis Jesu als Messias und Sohn Gottes;
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der Weg Jesu, der ihn nach Jerusalem führt, wo er leidet und stirbt;
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Jüngerschaft: Ein Jünger ist berufen, Jesus auf diesem Weg zu folgen.
Dies wäre eine ermutigende Botschaft für die Christen in Rom gewesen. Markus will ihnen signalisieren, dass sie nicht überrascht sein sollen über die Verfolgung, die sie erleiden, denn Jesus, der Messias und Sohn Gottes, ertrug dasselbe. Jeder, der sein Jünger sein möchte, solle bereit sein, ihm zu folgen und sein Leid auf sich zu nehmen. Diese Botschaft ist für uns Christen heute genauso relevant wie damals für die Christen in Rom.
Wie?
Mit ,wie' meine ich den Schreibstil des Markus. Obwohl das Evangelium an die Christen in Rom gerichtet war, wurde es auf Griechisch verfasst, nicht auf Latein. Das sollte uns trotzdem nicht überraschen. Latein war zwar die offizielle Sprache in Rom, doch Griechisch war dort ebenfalls weit verbreitet, ähnlich wie Englisch heute in großen städtischen Gebieten weit verbreitet ist. Indem er auf Griechisch schrieb, konnte Markus ein größeres Publikum erreichen.
Obwohl Markus sein Evangelium also auf Griechisch verfasste, wird bei der Analyse seines Stils deutlich, dass er für Latein-Sprechende schreibt. Er verwendet viele Latinismen, das heißt lateinische Wörter wie census (Mk 12, 14), centurion (Mk 15, 39) und flagellare [geißeln] (Mk 15, 15) sowie Redewendungen wie consilium dederunt [einen Beschluss fassen] (Mk 3, 6) und genua ponentes [die Knie beugen] (Mk 15, 19). Wir finden diese Redewendungen nirgendwo sonst im Neuen Testament. Außerdem schrieb Markus offensichtlich für ein nicht-jüdisches Publikum, weil er häufig jüdische Begriffe und Bräuche erklärt:
... danach blickte er zum Himmel auf, seufzte und sagte zu ihm: Effata!, das heißt: Öffne dich! (Mk 7, 34)
Sie sahen, dass einige seiner Jünger ihr Brot mit unreinen, das heißt mit ungewaschenen Händen aßen. Die Pharisäer essen nämlich wie alle Juden nur, wenn sie vorher mit einer Handvoll Wasser die Hände gewaschen haben; so halten sie an der Überlieferung der Alten fest. Auch wenn sie vom Markt kommen, essen sie nicht, ohne sich vorher zu waschen. Noch viele andere überlieferte Vorschriften halten sie ein, wie das Abspülen von Bechern, Krügen und Kesseln. (Mk 7, 2-4)
Diese Erläuterungen wären überflüssig gewesen, wenn seine Adressaten Juden gewesen wären, da diese das von sich aus gewusst hätten.
Die Grammatik und der Wortschatz des Evangeliums sind recht einfach, was wiederum darauf hindeutet, dass der Autor kein Muttersprachler war. Markus war anscheinend gut vertraut mit dem umgangssprachlichen Griechisch, das vom einfachen Volk gesprochen wurde. Das zeigt sich daran, dass er nicht den ausgefeilteren Stil zeitgenössischer griechischer Autoren benutzte oder sogar den der anderen Evangelisten. Um es offen zu sagen, sein Griechisch ist ziemlich simpel, und er hätte sicher keinen Literaturpreis gewonnen.
Der Schreibstil des Markus ist ebenfalls schlicht und direkt. Er schreibt, wie Kinder es tun. Er reiht viele Sätze mit ,und' aneinander. Er berichtet direkt und mischt Zeitformen, indem er von der Vergangenheitsform zur historischen Gegenwart wechselt. Das historische Präsens erzählt Ereignisse der Vergangenheit unter Verwendung der Gegenwartsform.
Im Allgemeinen ist Markus viel mehr daran interessiert zu zeigen, wer Jesus ist, durch das, was er tut, als durch das, was er sagt. Im Unterschied zu den anderen Evangelien ist das Markus-Evangelium voller ‚action‘. Obwohl es das kürzeste der vier Evangelien ist, sind seine Berichte oft länger, weil sie mehr Details enthalten. Zum Beispiel erzählen sowohl Markus als auch Matthäus von der Salbung Jesu in Bethanien, aber nur Markus erwähnt, dass das Salböl aus reiner Narde bestand, dass es für über 300 Denare hätte verkauft werden können, dass die Frau das Glas zerbrach, dass andere ihr Vorwürfe machten und dass Jesus sie verteidigte, indem er sagte, sie hätte getan, was sie konnte.
Mit rund 11.300 Worten ist das Markus-Evangelium mit Abstand das kürzeste der synoptischen Evangelien. Das Lukas-Evangelium umfasst etwa 19.500 Wörter und das von Matthäus ca. 18.300. Das Markus-Evangelium ist kürzer, weil Markus viele Geschichten weglässt, wie Jesu Geburt und Kindheit sowie etliche Details über die Auferstehung. Es fehlen auch viele der längeren Reden Jesu. Die längste Rede des Evangeliums, in Kapitel 13, handelt von der bevorstehenden Zerstörung Jerusalems. Sie ist beinahe 700 Wörter lang. Im Unterschied dazu ist das Matthäus-Evangelium um fünf lange Reden herum konzipiert. Die umfangreichste davon ist die Bergpredigt, die etwa 2.000 Wörter umfasst.
,Sofort' scheint das Lieblingswort des Markus gewesen zu sein, weil die Dinge in seinem Evangelium immer auf einmal zu passieren scheinen. Alle diese Stilmittel geben seiner Erzählung Lebendigkeit und Dramatik.
Zusammenfassend lässt sich sagen, der Schreibstil des Markus ist leicht zu verstehen. Seine Grammatik und sein Wortschatz sind recht einfach, und er erzählt die Dinge auf eine unkomplizierte Weise. Es ist eine einfache und angenehme Lektüre. Niemand fühlt sich vom Text überfordert, aber lassen Sie sich davon nicht täuschen. Das Evangelium ist sehr tiefgründig und hoch theologisch, wie Sie gleich erfahren werden.
Aufgaben
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Sehen Sie sich auf youtube das Video an “Ancient History: Rome If You Want To, Nero Persecutes Christians”.
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Welches sind die Hauptthemen des Markus-Evangeliums?
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Beschreiben Sie die Eigenschaften von Markus' Stil anhand des folgenden Absatzes!
Da sagte er zu ihnen: Kommt her, mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen. Und sogleich ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm nach. Als er ein Stück weiterging, sah er Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Johannes; sie waren im Boot und richteten ihre Netze her. Sogleich rief er sie und sie ließen ihren Vater Zebedäus mit seinen Tagelöhnern im Boot zurück und folgten Jesus nach. Sie kamen nach Kafarnaum. Am folgenden Sabbat ging er in die Synagoge und lehrte. Und die Menschen waren voll Staunen über seine Lehre; denn er lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat, nicht wie die Schriftgelehrten. In ihrer Synagoge war ein Mensch, der von einem unreinen Geist besessen war. (Mk 1, 17-23)
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Finden Sie zwei weitere Passagen im Markus-Evangelium, die Elemente seines Schreibstils deutlich widerspiegeln! Beschreiben Sie diese Elemente!