Übersicht
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Eine letzte Struktur, die wir uns ansehen wollen, ist das sogenannte Markus-Sandwich. Sie wird so genannt, weil die literarische Form einem Sandwich ähnelt. So wie das oben abgebildete Sandwich aus zwei Scheiben Brot besteht, zwischen die Erdnussbutter und Gelee geschmiert wurde, so ist es auch im sogenannten Markus-Sandwich: Eine Geschichte (Geschichte B) wird in eine andere Geschichte (Geschichte A) eingebettet wie in ein Sandwich. Indem Markus die beiden Geschichten auf diese Weise verschränkt, will er auf den Zusammenhang zwischen den Geschichten aufmerksam machen. Sie müssen deshalb zusammen gelesen und interpretiert werden. So hilft die Geschichte von der Verfluchung des Feigenbaums zum Verständnis der Tempelreinigung.
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In dieser Lerneinheit werden wir neun Bibelstellen identifizieren, an denen Markus die Sandwich-Technik verwendet.
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Lernziele
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Sie werden diese Lerneinheit erfolgreich abgeschlossen haben, wenn Sie
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erklären können, was ein Markus-Sandwich ist;
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die neun Markus-Sandwichs auflisten und beschreiben können, die in dieser Lerneinheit vorkommen;
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Jesu Verfluchung des Feigenbaumes im Lichte seiner Tempelreinigung deuten können (und umgekehrt).
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āMarkus-Sandwich
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Aufmerksame Leser des Evangeliums werden feststellen, dass Markus die Angewohnheit hat, eine Geschichte durch eine andere – scheinbar nicht verwandte – Geschichte zu unterbrechen. Diese A-B-A' Struktur wird als Parenthese (Einschub) bezeichnet oder populärer als Markus-Sandwich, weil es in der Form einem Sandwich ähnelt. Genau wie das oben abgebildete Sandwich aus Erdnussbutter und Gelee zwischen zwei Scheiben Brot besteht, so ist auch in einem Markus-Sandwich die Geschichte B ,gesandwicht' oder eingebettet in die Geschichte A.
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Wissenschaftler streiten über die genaue Anzahl der Sandwichs im Evangelium, weil einige von ihnen nicht leicht zu identifizieren sind, aber das Folgende ist eine Liste von neun möglichen Sandwichs im Evangelium.
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Jesus ist zu Hause mit Familie und Freunden. (3, 19b-21)
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Die Schriftgelehrten werfen Jesus vor, von Beelzebul besessen zu sein. (3, 22-30)
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Jesus ist zu Hause mit Familie und Freunden. (3, 31-35)
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Das Gleichnis vom Sämann. (4, 1-9)
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Jesus erklärt, warum er in Gleichnissen lehrt. (4, 10-12)
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Die Deutung des Gleichnisses vom Sämann. (4, 13-30)ā
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Jesus erweckt die Tochter des Jairus zum Leben. (5, 21-24)
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Jesus heilt die blutflüssige Frau. (5, 25-34)
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Jesus erweckt die Tochter des Jairus zum Leben. (5, 35-43)
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Jesus sendet die Apostel aus. (6, 7-13)
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Herodes tötet Johannes den Täufer. (6, 14-29)
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Die Apostel kehren von ihrer Mission zurück. (6, 30-31)ā
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Jesus verflucht einen Feigenbaum. (11, 12-14)
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Jesus reinigt den Tempel. (11, 15-19)
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Der Feigenbaum ist verdorrt. (11, 20-24)ā
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Die Hohenpriester und Schriftgelehrten planen, Jesus zu töten. (14, 1-2)
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Eine Frau salbt Jesus. (14, 3-9)
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Judas stimmt zu, Jesus an die Hohenpriester zu verraten. (14, 10-11)
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Jesus sagt voraus, dass Judas ihn verraten wird. (14, 17-21)
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Die Einsetzung der Eucharistie. (14, 22-25)
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Jesus sagt voraus, dass Petrus ihn verleugnen wird. (14, 26-31)ā
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Petrus folgt Jesus in den Hof des Hohenpriesters. (14, 53-54)
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Die Hohepriester und der ganze Hohe Rat verurteilen Jesus zum Tode. (14, 55-65)
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Petrus verleugnet Jesus. (14, 66-72)
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Maria Magdalena, Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome stehen unter dem Kreuz Jesu. (15, 40-41)
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Jesus wird begraben. (15, 42-47)
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Maria Magdalena, Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome gehen zum Grab Jesu. (16, 1-8)
Diese Struktur ist kein bloßer Zufall. Markus nutzt dieses literarische Mittel, um eine wichtige theologische Botschaft zu vermitteln. Durch diese Strukturierung der Geschichten teilt er seinen Lesern mit, dass sie zusammen gelesen und interpretiert werden sollen. So müssen wir die Geschichte der Tempelreinigung im Lichte seiner Verfluchung des Feigenbaums lesen.
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Die Bedeutung der Tempelreinigung
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Jesus geht zum Feigenbaum auf der Suche nach Früchten, aber er findet nur Blattwerk, deshalb verflucht er den Baum. Im Alten Testament ist der Feigenbaum ein Symbol für das Volk Israel. Gott erwartete von seinem Volk die Frucht guter Werke, aber leider brachten sie diese nicht hervor.
Wie man Trauben findet in der Wüste, / so fand ich Israel;
wie die erste Frucht am jungen Feigenbaum, / so sah ich eure Väter.
Sie aber kamen nach Baal-Pegor / und weihten sich der Schande; / da wurden sie so abscheulich wie der, den sie liebten. (Hos 9, 10)
Ich will sie ernten und ihnen ein Ende machen – Spruch des HERRN. / Keine Trauben sind am Weinstock,
keine Feigen am Feigenbaum / und das Laub ist verwelkt. / Darum habe ich für sie Verwüster bestellt. (Jer 8, 13)
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So wie Jesus den Feigenbaum richtete, so richtet er auch den Tempelkult. Denken Sie an Maleachis Prophezeiung über den Tag des Herrn.
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Seht, ich sende meinen Boten; / er soll den Weg für mich bahnen.
Dann kommt plötzlich zu seinem Tempel / der Herr, den ihr sucht,
und der Bote des Bundes, den ihr herbeiwünscht. / Seht, er kommt!, spricht der HERR der Heerscharen.
Doch wer erträgt den Tag, an dem er kommt? / Wer kann bestehen, wenn er erscheint?
Denn er ist wie das Feuer des Schmelzers / und wie die Lauge der Walker.
Er setzt sich, um das Silber zu schmelzen und zu reinigen: / Er reinigt die Söhne Levis, / er läutert sie wie Gold und Silber. Dann werden sie dem HERRN die richtigen Opfer darbringen.
Und dem HERRN wird das Opfer Judas und Jerusalems angenehm sein / wie in den Tagen der Vorzeit, wie in längst vergangenen Jahren.
Ich komme herbei, um euch zu richten; / schnell trete ich als Zeuge auf gegen die Zauberer und die Ehebrecher, / gegen die Meineidigen und gegen alle, welche die Taglöhner, / Witwen und Waisen ausbeuten, den Fremden im Land ihr Recht verweigern und mich nicht fürchten, / spricht der HERR der Heerscharen. (Mal 3, 1-5)
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Jesus betrat Jerusalem und den Tempel als Richter auf der Suche nach der Frucht, die Gott erwartete: wahre Hingabe und gute Werke. Aber wie beim Feigenbaum fand er nur dichtes Laubwerk in Form von leblosen Ritualen, die den Mangel an Früchten überdeckten. Jesu Tempelreinigung war zugleich Gericht und Verurteilung. Vierzig Jahre später wurde der Tempel – als Vergeltung für den jüdischen Aufstand – von den Römern zerstört. Das war der historische Hintergrund, aber die theologische Ursache seiner Zerstörung war, dass er nicht mehr benötigt wurde. Jesus hatte ihn durch einen neuen Tempel ersetzt, dessen Grundstein er selber war.
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Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, er ist zum Eckstein geworden; vom Herrn ist das geschehen und es ist wunderbar in unseren Augen. (Mk 12, 10-11)
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Soweit wir wissen, erfand Markus diese Sandwich-Technik, da wir keine vergleichbaren Beispiele in der früheren Literatur finden. Zwar gibt es Fälle, in denen eine Geschichte eine andere Geschichte unterbricht, zum Beispiel im Buch 19 der Odyssee von Homer. Das kommt auch im Alten Testament vor. Aber wenn wir diese Geschichten analysieren, sehen wir, dass dies der Erhöhung der dramatischen Spannung dient. Es geht nicht – wie bei Markus – darum, dass eine Geschichte im Lichte einer anderen interpretiert werden soll. Deshalb nennen wir diese Struktur Markus-Sandwich.
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Markus hätte vielleicht keinen Preis für sein Griechisch gewonnen, aber die Art, wie er sein Evangelium strukturiert hat, offenbart seine literarische und theologische Genialität.
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Aufgaben
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Was ist ein Markus-Sandwich, und wozu dient es?
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Nennen und beschreiben Sie neun Markus-Sandwichs, die in dieser Lerneinheit erwähnt werden!
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Deuten Sie Jesu Verfluchung des Feigenbaumes im Lichte seiner Tempelreinigung (und vice versa)!
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Füllen Sie die Tabelle mit den Markus-Sandwichs aus. Dazu können Sie die angehängte Datei verwenden (im Excel- oder PDF-Format)!