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Lektion 5

Der Bundesschluss

Photograph of a rainbow, the sign of the covenant with Noah

Übersicht

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Eines der wichtigsten Themen in der Bibel ist der Bundesschluss, weil er die innere Einheit der ganzen Heilsgeschichte begründet. Die Heilsgeschichte wird strukturiert durch eine Reihe von Bünden, die Gott mit seinem Volk schließt, wobei der Neue Bund den Höhepunkt bildet, durch den Gott die – durch Adam und Evas Auflehnung gegen ihn – ausgelöste Krise überwindet und unsere Gemeinschaft mit ihm erneuert. In dieser Lerneinheit werden wir erklären, was ein Bund ist, und die sieben notwendigen Elemente für das Schließen eines Bundes beschreiben. Danach werden wir uns die ersten drei Bünde in der Bibel ansehen: den Bund Gottes mit Adam, Noach und Abraham.

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Lernziele

 

Sie werden diese Lerneinheit erfolgreich abgeschlossen haben, wenn Sie

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  • erklären können, was ein Bund ist;

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  • die wesentlichen Elemente eines Bundesschlusses beschreiben können.

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​Wenn Sie alle Lernziele von Lektion 1 bis 5 erreicht haben, sollten Sie erklären können, inwiefern die ersten elf Kapitel der Bibel meisterhaft die Anforderungen an eine große Einführungen erfüllen.

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Einführung

 

In der vorigen Lektion haben wir drei Motive kennengelernt – ‚Wasser und Wind‘, ‚Exil‘ und ‚das Angesicht Gottes‘ –, die zum ersten Mal in den Kapitel Genesis 1-11 auftauchen. In dieser Lerneinheit werden wir ein viertes Motiv betrachten: den ‚Bund‘. Dieses Motiv ist so bedeutend, dass wir es gesondert behandeln müssen. Der Bundesgedanke ist der wichtigste Gedanke in der Bibel, weil er alles zu einer Einheit zusammenführt. Die Heilsgeschichte ist um eine Reihe von Bünden herum konzipiert, die Gott mit seinem Volk eingeht – wobei der Neue Bund den Höhepunkt bildet. Durch ihn überwindet Gott die Krise, die durch Adam und Evas Auflehnung gegen ihn verursacht wurde, und erneuert unsere Gemeinschaft mit ihm. In den Evangelien lesen wir über das Letzte Abendmahl:

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Während des Mahls nahm er das Brot und sprach den Lobpreis; dann brach er das Brot, reichte es ihnen und sagte: Nehmt, das ist mein Leib. Dann nahm er den Kelch, sprach das Dankgebet, gab ihn den Jüngern und sie tranken alle daraus. Und er sagte zu ihnen: Das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird. (Mk 14, 22–24)

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Das hebräische Wort für ‚Bund‘ lautet berit, das im Griechischen mit diatheke übersetzt wird und im Lateinischen mit testamentum. Aus diesem Grund können das Alte und das Neue Testament auch Alter und Neuer Bund genannt werden. In dieser Lerneinheit werden wir erklären, was ein Bund ist, und seine wesentlichen Elemente beschreiben.

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Der Bund mit Abraham

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Das Motiv des Bundes kommt bereits zweimal in den ersten elf Kapiteln der Bibel vor, allerdings ist es dort noch nicht so klar erkennbar. Darum wollen wir unsere Darstellung über Bundesschlüsse zunächst mit dem Bund beginnen, den Gott mit Abraham geschlossen hat (Kapitel 15).

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Er sprach zu ihm: Ich bin der HERR, der dich aus Ur in Chaldäa herausgeführt hat, um dir dieses Land zu eigen zu geben. Da sagte Abram: Herr und GOTT, woran soll ich erkennen, dass ich es zu eigen bekomme? Der HERR antwortete ihm: Hol mir ein dreijähriges Rind, eine dreijährige Ziege, einen dreijährigen Widder, eine Turteltaube und eine junge Taube! Abram brachte ihm alle diese Tiere, schnitt sie in der Mitte durch und legte je einen Teil dem andern gegenüber; die Vögel aber zerschnitt er nicht. Da stießen Raubvögel auf die toten Tiere herab, doch Abram verscheuchte sie.

 

Bei Sonnenuntergang fiel auf Abram ein tiefer Schlaf. Und siehe, Angst und großes Dunkel fielen auf ihn. Er sprach zu Abram: Du sollst wissen: Deine Nachkommen werden als Fremde in einem Land wohnen, das ihnen nicht gehört. Sie werden dort als Sklaven dienen und man wird sie vierhundert Jahre lang unterdrücken. Aber auch über das Volk, dem sie als Sklaven dienen, werde ich Gericht halten und nachher werden sie mit reicher Habe ausziehen. Du aber wirst in Frieden zu deinen Vätern heimgehen; im glücklichen Alter wirst du begraben werden. Erst die vierte Generation wird hierher zurückkehren; denn noch hat die Schuld der Amoriter nicht ihr volles Maß erreicht.

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Die Sonne war untergegangen und es war dunkel geworden. Und siehe, ein rauchender Ofen und eine lodernde Fackel waren da; sie fuhren zwischen jenen Fleischstücken hindurch. An diesem Tag schloss der HERR mit Abram folgenden Bund: Deinen Nachkommen gebe ich dieses Land. (Gen 15, 7-19)

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Worum geht es hier? All das klingt ein bisschen seltsam. Gott bittet Abraham, verschiedene Tiere zu schlachten, sie zu zerteilen und so anzuordnen, dass zwischen ihnen eine Gasse gebildet wird. Welche Bedeutung haben der rauchende Ofen und die lodernde Fackel? Wir werden noch sehen, dass die Bibel lediglich einen für die damalige Zeit üblichen Ritus beschreibt, durch den ein Bund geschlossen wurde. Bevor wir uns mit diesem Ritual im Detail beschäftigen, lassen Sie uns zuerst betrachten, was überhaupt ein Bund ist!

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Was ist ein Bund?

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Im Lateinischen wird für das Wort Bund sowohl pactum (Übereinkunft, Vertrag) als auch foedus (Vertrag, Bündnis, Bund) verwendet. Tatsächlich ist der Bund eine Art Vertrag und beide haben eine große Ähnlichkeit. Trotzdem wäre eine Gleichsetzung von Bund und Vertrag irreführend, denn es gibt grundlegende Unterschiede.

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Erstens basiert ein Vertrag auf einem Versprechen, während ein Bund auf einem Eid basiert. Wenn zum Beispiel zwei Personen einen Vertrag über den Verkauf eines Eigenheims abschließen, verspricht der Käufer, den vereinbarten Geldbetrag zu zahlen, und der Verkäufer verspricht, ihm das Eigentum zu übergeben. Sobald die Parteien den Vertrag unterschrieben haben, sind sie rechtlich an seine Bedingungen gebunden. Falls jemand die Verpflichtungen nicht erfüllt, wird er persönlich zur Verantwortung gezogen, gegebenenfalls sogar per Gesetz bestraft.

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Ein Bund ist vollkommen anders geartet. ​Statt mit seinem eigenen Namen zu unterzeichnen, schwört man einen Eid und ruft Gott als Garanten an. Man unterzeichnet gewissermaßen im Namen Gottes. Aus diesem Grund ist ein Bund viel ernster und feierlicher als ein Vertrag. Wenn jemand einen Meineid schwört oder den Eid wissentlich bricht, begeht er ein Sakrileg gegen Gottes heiligen Namen.

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Ein zweiter großer Unterschied zwischen einem Vertrag und einem Bund besteht darin, dass es bei einem Vertrag um den Austausch von Gütern geht, während es bei einem Bund um den Austausch von Personen geht. In unserem obigen Beispiel des Hausverkaufs verspricht der Käufer, den geforderten Preis zu zahlen, der Verkäufer verspricht, sein Eigentumsrecht abzutreten. Es handelt sich gewissermaßen um Dinge. In einem Vertrag bietet man etwas an, das man besitzt, etwa ein Gebäude, Geld oder auch eine persönliche Fertigigkeit. Bei einem Bund jedoch bietet man sich selbst an. Man übergibt sich selbst einer anderen Person. Die gegenseitige Selbst-Hingabe begründet eine Lebensgemeinschaft zwischen den Bundespartnern. Mit anderen Worten: Die Bundespartner bilden eine Familie.

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Der Unterschied zwischen einem Bund und einem Vertrag ist so grundlegend wie der zwischen Ehe und Prostitution. ​Die Ehe ist eine Form des Bundes. Während der Hochzeit schwören Braut und Bräutigam einander einen Eid mit dem Versprechen: „Ich bin für immer dein!“. Die Folge der Ehe ist eine Familie: eine Lebensgemeinschaft zwischen Braut und Bräutigam.

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Bei der Prostitution schließen die Prostituierte​ und der Kunde einen Vertrag, in dem der Kunde sich das Recht erkauft, den Körper der Prostituierten zu benutzen. Das Paar mag wohl Dinge tun, wie sie zwischen Eheleuten üblich sind, aber diese Verbindung findet nur auf physischer Ebene statt – und sie ist zeitlich begrenzt. Sie bilden keine Lebensgemeinschaft.

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So wie Braut und Bräutigam aufgrund ihres Ehebundes eine Familie bilden, so nimmt Gott uns ​in seine geistliche Familie auf, durch einen Bund, den er mit uns schließt. Heutzutage treten wir durch die Taufe in einen Bund mit Gott ein und werden Teil seiner Familie. In Bezug auf den Vater werden wir Gottes Söhne und Töchter, und als Glieder der Kirche werden wir Christi Braut.

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Wie wir in einer früheren Lektion gesehen haben, erschuf Gott uns – von Anfang an – mit dem Ziel, uns in seine geistige Familie aufzunehmen. Durch den Bundesschluss sagt er uns: „Ich will unter ihnen wohnen und mit ihnen gehen. / Ich werde ihr Gott sein / und sie werden mein Volk sein … und euer Vater sein und ihr sollt meine Söhne und Töchter sein“ (2 Kor 6, 16-18).

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Bünde in der Bibel

 

Das hebräische Wort für Bund berit bezeichnet sowohl das Ritual, durch das ein Bund geschlossen wird (z. B. die Eheschließung), als auch die Lebensgemeinschaft, die durch den Bund ins Leben gerufen wird (z. B. die Lebensgemeinschaft von Mann und Frau). Die Bibel erzählt an zahlreichen Stellen von Menschen, die miteinander einen Bund oder ein Bündnis eingehen:

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  • Der Bund zwischen David und Jonatan begründete eine Art Blutsverwandtschaft zwischen ihnen.

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​Nach dem Gespräch Davids mit Saul schloss Jonatan David in sein Herz. Und Jonatan liebte David wie sein eigenes Leben. Saul behielt David von jenem Tag an bei sich und ließ ihn nicht mehr in das Haus seines Vaters zurückkehren. Jonatan schloss mit David einen Bund, weil er ihn wie sein eigenes Leben liebte. Er zog den Mantel, den er anhatte, aus und gab ihn David, ebenso seine Rüstung, sein Schwert, seinen Bogen und seinen Gürtel. (1 Sam 18, 1-4)​

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  • Der Bund zwischen Jakob und Laban enthält einerseits Elemente eines Nichtangriffspaktes, also eines Bündnisses: Labans Versprechen, nicht das Steinmal in feindlicher Absicht Jakob gegenüber zu überschreiten – andrerseits auch Elemente eines Bundes: Jakobs Versprechen, Labans Töchter gut zu behandeln.

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Laban antwortete und sprach zu Jakob: … Jetzt aber komm, wir wollen einen Bund schließen, ich und du. Er soll zwischen mir und dir Zeuge sein. Da nahm Jakob einen Stein und richtete ihn als Steinmal auf. Jakob sagte zu seinen Brüdern: Tragt Steine zusammen! Da holten sie Steine und legten einen Steinhügel an. Dort auf dem Steinhügel aßen sie. … Dieser Steinhügel, sagte Laban, soll heute Zeuge sein zwischen mir und dir. … Der HERR sei Späher zwischen mir und dir, wenn wir voneinander nichts mehr wissen. Solltest du meine Töchter unterdrücken oder dir außer meinen Töchtern noch andere Frauen nehmen – auch wenn kein Mensch bei uns ist: Sieh, Gott ist Zeuge zwischen mir und dir. Weiter sagte Laban zu Jakob: Siehe, dieser Steinhügel, siehe, dieses Steinmal, das ich zwischen mir und dir errichtet habe – Zeuge sei dieser Steinhügel. Zeuge sei dieses Steinmal: Nie will ich diesen Steinhügel zu dir hin überschreiten und nie sollst du diesen Steinhügel oder dieses Steinmal in böser Absicht zu mir hin überschreiten. Da leistete Jakob einen Eid … Dann brachte Jakob auf dem Berg ein Schlachtopfer dar und lud seine Brüder ein, Mahl zu halten. (Gen 31, 43-54)

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  • Salomo und Hiram, der König von Tyrus, regeln ihre diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen durch einen Vertrag.

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​Zwischen Salomo und Hiram herrschte Friede und sie schlossen miteinander ein Bündnis. (1 Kön 5, 26)

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​Allerdings interessieren uns am meisten die Bünde, die Gott mit seinem Volk Israel schloss. Es gibt sechs wichtige Bünde in der Bibel.

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  1. der Bund mit Adam und Eva in Genesis 1, 26-2, 3​

  2. der Bund mit Noach und seiner Familie in Genesis 9, 8-17

  3. der Bund mit Abraham und seinen Nachkommen in Genesis 12, 1-3; 17, 1-14; 22, 16-18.

  4. der Bund mit Mose und dem Volk Israel in Exodus 19, 5-6; 3, 4-10; 6, 7.

  5. der Bund mit David und dem Königreich Israel in 2 Samuel 7, 8-19.

  6. der Bund zwischen Jesus und der Kirche in Matthäus 26, 28; 16, 17-19.​

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Bei mehreren Gelegenheiten in der Geschichte Israels erneuerte Gott diese Bünde: Er bekräftigte den Bund, den er mit Abraham geschlossen hatte, zunächst mit Isaak (Gen 26, 3), danach mit Jakob (Gen 28, 13-15). Mit Josua erneuerte er den Bund, den er mit Mose geschlossen, und mit Salomo (1 Kön 9, 1-9) den Bund, den er mit David geschlossen hatte. Grundlegend sind aber die oben erwähnten sechs Bünde. Zusammen geben sie der ganzen biblischen Geschichte Form und Struktur. Darum muss man diese Bünde gut kennen, wenn man die Bibel verstehen will.

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Das Bundes-Ritual

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Bünde waren in der ganzen Antike üblich. Archäologen haben außerbiblische Texte gefunden, die das dabei vollzogene Ritual beschreiben. Obwohl es verschiedene Bundes-Rituale gab, haben diese einige gemeinsame Elemente. Ein Eid, den eine oder beide Parteien leisteten (vgl. Gen 21, 31-32; 22, 16; 26, 28; Jos 9, 15; Ez 16, 59; 17, 13-19, bildete häufig ein zentrales Element. Der Eid hatte in der Regel die Form einer Selbstverfluchung. Der Bundespartner rief Gott oder die Götter an, ihn mit dem Tod oder einer anderen schweren Sanktion zu bestrafen, sollte er die Bundesauflagen nicht einhalten. Dieser Fluch konnte durch Worte ausgesprochen oder durch ein Ritual versinnbildlicht werden.

 

​Wir wissen, dass die Bundespartner manchmal den Bund dadurch ratifizierten, dass sie geschlachtete Tiere so anordneten, dass zwischen ihnen eine Gasse gebildet wurde, die sie dann durchschritten. Damit sprachen sie einen Fluch über sich selbst aus, sollten sie den Bund jemals brechen. Dieses Ritual bedeutete, dass sie auf sich dasselbe Schicksal herabriefen, das die geschlachteten Tiere getroffen hatte. 

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Ich mache die Männer, die meinen Bund verletzt und die Worte meines Bundes, den sie vor mir geschlossen hatten, nicht gehalten haben, dem Kalb gleich, das sie in zwei Hälften zerschnitten haben und zwischen dessen Stücken sie hindurchgegangen sind. Die Großen Judas und die Großen Jerusalems, die Höflinge, die Priester und das ganze Volk des Landes, die zwischen den Stücken des Kalbes hindurchgegangen sind. (Jer 34, 18-19)

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Archäologen fanden außerbiblische Texte, die dies bestätigen. Ein Beispiel ist der Vertrag zwischen Ashur-nirari V, dem König von Assyrien, und der syrischen Stadt Arpad. Dort heißt es:

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Dieses Frühjahrslamm ist aus seiner Hürde nicht zum Opfer herausgeholt, nicht zu einem Feste herausgeholt, nicht zum Erwerb herausgeholt, [...] es ist zum Abschluß des Vertrags Assurniraris, Königs von Assyrien, mit Mati’ilu herausgeholt. Wenn Mati’ilu gegen den bei den Göttern beschworenen Vertrag (sündigt), so soll, so wie dieses Frühjahrslamm aus seiner Hürde herausgeholt ist, zu seiner Hürde nicht zurückkehren wird […] auch Mati’ilu nebst seinen Söhnen, (seinen Großen) und den Leuten seines Landes aus seinem Lande (herausgeholt werden), nach seinem Lande nicht zurückkehren und sein Land nicht (wieder erblicken). Dieser Kopf ist nicht der Kopf des Frühjahrslammes, sondern der Kopf Mati’ilus sowie der Kopf seiner Söhne, seiner Großen und der Leute seines Landes. Wenn Mati’ilu gegen diesen Vertrag (sündigt), so soll, so wie dieser Frühjahrslammkopf abgerissen und ein Bein des Frühjahrslammes in seinen Mund gelegt ist, auch der Kopf Mati’ilus abgerissen sein […]. (Pritchard, Ancient Near Eastern Texts, 532 [eigene Übersetzung]).

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Diese Selbstverfluchung konnte verschiedene Formen annehmen. So besprengt Mose das Volk mit dem Blut geopferter Stiere als Zeichen für den Bund, den Gott mit ihnen schließt.

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Da nahm Mose das Blut, besprengte damit das Volk und sagte: Das ist das Blut des Bundes, den der HERR aufgrund all dieser Worte mit euch schließt. (Ex 24, 8)

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​Durch dieses Ritual wurde jeder verflucht, der den Bund brach. Dahinter steckt der Gedanke, dass das Blut desjenigen, der jemals vertragsbrüchig werden sollte, wie das Blut der Tiere vergossen würde.

 

Wie wir sahen, war das Ziel eines Bundes gewissermaßen die Bildung einer Familie. Auch diese neue Lebensgemeinschaft wurde im Ritual des Bundes vollzogen. Zum Beispiel konnten die Parteien ein gemeinsames Mahl einnehmen, um so die neuen Familienbeziehungen zu bekräftigen. Das sehen wir bei dem Bund, den Jakob mit seinem Onkel schloss.

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Dann brachte Jakob auf dem Berg ein Schlachtopfer dar und lud seine Brüder ein, Mahl zu halten. Sie aßen und verbrachten die Nacht auf dem Berg. (Gen 31, 54)

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Den Bund Gottes mit Abraham verstehen

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Zieht man in Betracht, was wir gerade gesagt haben, so wird deutlich, dass es sich bei der oben zitierten Textstelle um einen Bund Gottes mit Abraham handelt. Viele Jahre waren ins Land gegangen, seitdem Gott Abraham ein eigenes Land versprochen hatte. Die Verheißung hatte sich aber bisher nicht erfüllt. Als deshalb Gott dem Abraham wieder erschien (Kapitel 15), hatte Abraham natürlich Zweifel: „Woran soll ich erkennen, dass ich es zu eigen bekomme?“ fragte er. Gott gab ihm erneut seine verbindliche Zusage, indem er einen Bund mit ihm schloss. Dies hob das ursprüngliche Versprechen auf das Niveau eines feierlichen Eides.

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Gott forderte Abraham auf, einige Tiere zu schlachten, sie zu zerteilen und so anzuordnen, dass zwischen ihnen eine Gasse gebildet wurde. In Gestalt einer Rauchsäule und einer brennenden Fackel durchschritt Gott selbst bei Sonnenuntergang diese Gasse, während Abraham schlief. Dabei verkündete er die Bedingungen des Bundes: „Deinen Nachkommen gebe ich dieses Land“.

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Beachten Sie, dass nur Gott zwischen den Tierteilen hindurchging. Dieses Detail ist sehr wichtig. Das bedeutet, dass Gott diesen Bund einseitig errichtete und die entsprechenden Verpflichtungen und Verfluchungen selbst auf sich nahm. Es ist erstaunlich, aber so war es! Als der Bund (von den Menschen) gebrochen wurde, trug Gott selbst die Konsequenzen des Fluches: Er wurde wie ein Tier geschlachtet am Kreuz von Golgotha.

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Die Hauptelemente eines Bundes

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Dank dieser Informationen können wir die Hauptkomponenten biblischer Bünde benennen.​ Jedes einzelne Element ist ein wichtiger Teil, auch wenn es nicht immer ausdrücklich im Text erwähnt wird. Dies sind die sieben Komponenten:

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  1. Das Ritual oder der Gründungsakt, durch den der Bund geschlossen wird.

  2. Der Bundesmittler, das heißt eine Person, mit der Gott den Bund stellvertretend für andere schließt.

  3. Die Bedingungen des Bundes, die das Volk einhalten muss.

  4. Die Segnungen oder Verheißungen, die Gott denen gewährt, die den Bund halten.

  5. Die Flüche oder Strafen, die diejenigen treffen, die den Bund nicht halten.

  6. Das Zeichen, durch das der Bund gefeiert und erinnert wird.

  7. Die neue Lebensgemeinschaft oder Familie, die zwischen Gott und seinem Volk gebildet wird.​

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Der Bund mit Adam

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Obwohl das Wort Bund in den ersten drei Kapiteln der Genesis zur Beschreibung der Beziehung zwischen Gott und Adam nicht genannt wird, gibt es verschiedene Elemente, die darauf schließen lassen, dass Gott tatsächlich auch mit ihm einen Bund geschlossen hat. Das erste ist die Verbindung, die zwischen dem siebten Schöpfungstag und einem Bund gezogen wird, wie wir in der Lektion über das Szenarium sahen. Erinnern Sie sich, was wir dort gesagt haben. In der Antike schloss man einen Bund, indem man einen Eid schwor. Im Hebräischen wird das Wort  ‚einen Eid schwören‘ aus dem Wort für ‚sieben‘ abgeleitet. ,Einen Eid schwören‘ bedeutet also wörtlich übersetzt ‚sich selbst versiebenfachen‘.

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Ein weiterer Hinweis findet sich in Exodus 31. Dort heißt es, dass der siebte Tag (d. h. der Sabbat) das Zeichen des Bundes sein soll.

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Sag den Israeliten: Ihr sollt meine Sabbate halten; denn das ist ein Zeichen zwischen mir und euch von Generation zu Generation, damit man erkennt, dass ich, der HERR, es bin, der euch heiligt. … Für alle Zeiten wird er ein Zeichen zwischen mir und den Israeliten sein. Denn in sechs Tagen hat der HERR Himmel und Erde gemacht; am siebten Tag ruhte er und atmete auf. (Ex 31, 13. 17)

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Außerdem sagte Gott, als er den Bund mit Noach schloss: „Mit dir aber richte ich meinen Bund auf“ (Gen 6, 18). Das hebräische Wort für ‚aufrichten‘ impliziert die Erneuerung eines bereits bestehenden Bundes. Ein abschließender Hinweis findet sich beim Propheten Hosea. Er vergleicht Israels Verletzung des Bundes mit derjenigen Adams. Die Formulierung impliziert, dass Adam in eine Bundesbeziehung mit Gott eingetreten war.

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Sie aber haben wie in Adam den Bund übertreten; dort haben sie mir die Treue gebrochen. (Hos 6, 7)

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Aufgrund des Kontextes in den ersten beiden Kapitel des Buches Genesis war der mit Adam errichtete Bund Gottes ein völlig freies Geschenk. Adam hatte ihn durch nichts verdient, so wie er nichts zu seiner eigenen Erschaffung beigetragen hatte. Beides, die Erschaffung Adams und der Bund mit ihm, waren einseitige Akte Gottes.

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Das Ritual, mit dem Gott diesen Bund schloss, wird in der Bibel nicht ​näher benannt, aber er errichtete einen Bund mit Adam, der als Mittler des Bundes fungierte. Gott segnete Adam und Eva und sagte zu ihnen: „Seid fruchtbar und mehrt euch, füllt die Erde und unterwerft sie und waltet über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen!“ (Gen 1, 28). Die Bedingung für den Bestand des Bundes war der Verzicht, von der Frucht des Baumes der Erkenntnis von Gut und Böse zu essen (vgl. Gen 2, 16-17), und der Fluch oder die Strafe bei Bundesuntreue bestand im geistigen Tod (vgl. Gen 2, 17).

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Durch diesen Bund wurden Adam und Eva in Gottes Familie aufgenommen. Hätten sie nicht gesündigt, dann wären all ihre Nachkommen in diese Familie hineingeboren worden. Wir würden jetzt in einer Liebesgemeinschaft mit Gott und jedem anderen Menschen leben. Leider kam alles anders! Adam und Eva brachen den Bund. Sie ​erlitten einen geistigen Tod. Diesen haben wir als ihre Kinder und Nachkommen geerbt. Theologen bezeichnen dies als die Erbsünde.

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Der Bund mit Noach

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Gott erneuerte den Bund mit Noach. Auch dies war ein vollkommen freies Geschenk Gottes. Es war in keinster Weise Noachs Verdienst, und Gott sprach von „meinem Bund“ und nicht „unserem Bund“. Außerdem schloss Gott die Tiere in den Bund mit ein.

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Ebenso wie bei dem Bund mit Adam wird das Bundesritual nicht näher bezeichnet. Noach war der Bundesmittler, insofern er zwischen Gott und seiner Familie vermittelte. Gott segnete Noach ebenso wie Adam und Eva und sagte zu Noach und seinen Söhnen: „Seid fruchtbar, mehrt euch und füllt die Erde!“ (Gen 9, 1).

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Die Bedingung für die Einhaltung des Bundes war, keinen anderen Menschen zu töten und nicht das Blut von Tieren zu trinken (vgl. Gen 9, 4-5). Es ist nicht klar, warum das Blut von Tieren nicht getrunken werden durfte. Eine mögliche Interpretation besagt, dass das Blut als Sitz des Lebens galt und dass nur Gott berechtigt ist, jedem Lebewesen das Leben zu schenken oder zu nehmen. Was auch immer der Grund war, der Fluch oder die Strafe für das Brechen des Bundes war der Tod, nicht der geistige wie beim ersten Bund, sondern diesmal ging es um den physischen Tod.

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Wenn aber euer Blut vergossen wird, fordere ich Rechenschaft für jedes eurer Leben. Von jedem Tier fordere ich Rechenschaft und vom Menschen. Für das Leben des Menschen fordere ich Rechenschaft von jedem, der es seinem Bruder nimmt. Wer Blut eines Menschen vergießt, / um dieses Menschen willen wird auch sein Blut vergossen. / Denn als Bild Gottes / hat er den Menschen gemacht. (Gen 9, 5-6)

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Das Zeichen des Bundes war der Regenbogen (vgl. Gen 9, 12-17), durch den Gott jedes Mal dieses Bundes gedachte. Durch diesen Bund wurden Noach und seine Familie (seine Frau, seine drei Söhne sowie deren Frauen) in die Familie Gottes aufgenommen.

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Der Bund mit Abraham

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​An drei Stellen berichtet die Bibel von einem Bund Gottes mit Abraham (Gen 15, 1-12; 17, 1-27; 22, 15-18). Diese können als drei getrennte Bünde betrachtet werden aber auch als Teile ein und desselben Bundes. Jedenfalls sind sie kumulativ, d. h. ein Bund baut auf dem anderen auf. Den ersten Bund finden wir in Kapitel 15. Mit diesem Bund bekräftigt Gott feierlich durch einen Eid sein früheres Versprechen, Abraham Land zu eigen zu geben.

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An diesem Tag schloss der HERR mit Abram folgenden Bund: „Deinen Nachkommen gebe ich dieses Land.“ (Gen 15, 18)

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​Das dabei vollzogene Ritual wird detailliert beschrieben, wie oben gesehen. Auch dieser Bund war ein absolut freies Geschenk Gottes. Das kann man daran erkennen, dass Abraham schlief, während Gott den Bund mit ihm schloss.

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Den zweiten Bericht über einen Bund Gottes mit Abraham finden wir in Genesis 17. ​Es soll ein immerwährender Bund sein, weil Gott auch Abrahams Nachkommen darin einschließt. Außerdem ist hier nicht nur die Rede von einer großen Nachkommenschaft, wie zuvor verheißen, sondern es werden sogar Könige daraus hervorgehen.

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​ Siehe, das ist mein Bund mit dir: Du wirst Stammvater einer Menge von Völkern. Man wird dich nicht mehr Abram nennen. Abraham, Vater der Menge, wird dein Name sein; denn zum Stammvater einer Menge von Völkern habe ich dich bestimmt. Ich mache dich über alle Maßen fruchtbar und lasse dich zu Völkern werden; Könige werden von dir abstammen. Ich richte meinen Bund auf zwischen mir und dir und mit deinen Nachkommen nach dir, Generation um Generation, einen ewigen Bund: Für dich und deine Nachkommen nach dir werde ich Gott sein. Dir und deinen Nachkommen nach dir gebe ich das Land, in dem du als Fremder weilst, das ganze Land Kanaan zum ewigen Besitz und ich werde für sie Gott sein.“ (Gen 17, 4-8)

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Die Bedingung für die Bundestreue war die Beschneidung.​

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Und Gott sprach zu Abraham: Du aber sollst meinen Bund bewahren, du und deine Nachkommen nach dir, Generation um Generation. Dies ist mein Bund zwischen mir und euch und deinen Nachkommen nach dir, den ihr bewahren sollt: Alles, was männlich ist, muss bei euch beschnitten werden. Am Fleisch eurer Vorhaut müsst ihr euch beschneiden lassen. Das soll geschehen zum Zeichen des Bundes zwischen mir und euch. Alle männlichen Kinder bei euch müssen, sobald sie acht Tage alt sind, beschnitten werden in jeder eurer Generationen, seien sie im Haus geboren oder um Geld erworben von irgendeinem Fremden, der nicht von dir abstammt. Beschnitten werden muss der in deinem Haus Geborene und der um Geld Erworbene. So soll mein Bund, dessen Zeichen ihr an eurem Fleisch tragt, ein ewiger Bund sein. Ein Unbeschnittener, eine männliche Person, die am Fleisch ihrer Vorhaut nicht beschnitten ist, soll aus ihrem Stammesverband ausgemerzt werden. Er hat meinen Bund gebrochen. (Gen 17, 9-14)

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Die Erzählung über den dritten Bund findet sich direkt nach der Opferung Isaaks. Gott baut auf den vorhergehenden zwei Bünden auf und schwört jetzt, alle Völker durch Abrahams Nachkommen zu segnen.

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Der Engel des HERRN rief Abraham zum zweiten Mal vom Himmel her zu und sprach: Ich habe bei mir geschworen – Spruch des HERRN: Weil du das getan hast und deinen Sohn, deinen einzigen, mir nicht vorenthalten hast, will ich dir Segen schenken in Fülle und deine Nachkommen überaus zahlreich machen wie die Sterne am Himmel und den Sand am Meeresstrand. Deine Nachkommen werden das Tor ihrer Feinde einnehmen. Segnen werden sich mit deinen Nachkommen alle Völker der Erde, weil du auf meine Stimme gehört hast. (Gen 22, 15-18)

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In seiner Rolle als Stammesführer einer Sippe war Abraham der Mittler dieses Bundes zwischen Gott und den Angehörigen seiner Sippe.

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​Die Segenssprüche dieser drei Bünde bestimmen den Aufbau der Bibel. Die biblischen Bücher von Exodus bis Josua erzählen von der Landgewinnung der Israeliten (Gottes erste Verheißung). Die Bücher Richter, 1 und 2 Samuel, 1 und 2 Könige und 1 und 2 Chronik beschreiben die Errichtung des Königreiches Davids (Gottes zweite Verheißung). Schließlich erzählen die Evangelien des Neuen Testamentes, dass Gott alle Völker segnet (Gottes dritte Verheißung). So lässt sich sagen, dass die biblische Geschichte zusammengefasst werden kann als die Geschichte, in der Gott seine Verheißungen an Abraham treu erfüllt. Durch sie erreicht er sein ursprüngliches Ziel, uns in seine Familie aufzunehmen.

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Mit jedem weiteren Bund wird Gottes Familie immer größer. Bei Adam bestand sie aus zwei Personen: Adam und Eva. Bei Noach umfasste Gottes Familie acht Personen: Noach, seine Frau, ihre drei Söhne ​und deren Frauen. Bei Abraham wurde eine ganze Sippe in Gottes Familie aufgenommen. Die genaue Anzahl kennen wir nicht, obwohl in Exodus 1, 5 gesagt wird, dass 70 Nachkommen Jakobs nach Ägypten zogen.

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Später, im Buch Exodus, erweitert sich die Familie Gottes durch den Bund mit Mose zu einem ganzen ​Volk. Durch den Bund mit David entsteht daraus ein Königreich. Und schließlich errichtet Gott in Jesus den letzten und abschließenden Bund: Die ganze Menschheit ist eingeladen, diesem Bund beizutreten.

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Jesus nennt die Versammlung derer, die in seinen letzten Bund eintreten, seine Kirche, aber damit greifen wir voraus. Noch befinden wir uns mitten im ersten Buch der Bibel. Wir haben einen langen Weg vor uns bis zum Zeitalter der Kirche!

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