top of page

Bedeutung durch Struktur

Die Grundstruktur

Drawing of DNA structure

Übersicht

 

In dieser Lerneinheit beschäftigen wir uns mit der Grundstruktur des Evangeliums. Obwohl das Griechisch des Markus nicht sehr elegant ist, hat er sein Evangelium genial strukturiert. Heutige Wissenschaftler versuchen, die im Text verwendeten Strukturen zu identifizieren. Sie achten dabei auf Wiederholungen, Ortswechsel, Gruppierungen usw. Ausgehend von verschiedenen Themenwechsel im Text, schlagen einige Wissenschaftler folgende Gliederung vor. ​​

​

  1. Einführung in das Evangelium (1, 1-13)

  2. Hauptteil

    • Teil 1: Die Offenbarung Jesu als Messias (1, 14-8, 30)

    • Teil 2: Die Offenbarung Jesu als der leidende Messias und Sohn Gottes (8, 31-16, 8)

  3. Schlussteil mit sogenanntem ,Markusschluss' (16, 9-16, 20)​​

​​

​Wir werden uns bei der Analyse des Textes auf diese Struktur beziehen. Ein anderer Gliederungsvorschlag legt den Wechsel der Örtlichkeiten (Geografie) zugrunde. ​​

​​

  1. Einführung in das Evangelium (1, 1-13)

  2. Hauptteil

    • Teil 1: Jesus in Galiläa (1, 14-8, 30)

    • Teil 2: Jesus auf dem Weg nach Jerusalem (8, 31-10, 52)

    • Teil 3: Jesus in Jerusalem (11, 1-16, 8)

  3. Schlussteil mit sogenanntem ,Markusschluß' (16, 9-16, 20)​​

​

Wir sollten diese beiden Vorschläge als sich gegenseitig ergänzend verstehen und nicht als einander ausschließend.

​

​

Lernziele​

​

Sie werden diese Lerneinheit erfolgreich abgeschlossen haben, wenn Sie​​

​

  • die Struktur des Evangeliums auf der Grundlage thematischer oder geografischer Änderungen beschreiben können;

​

  • erklären können, wie der erste und zweite Teil jeweils in drei Abschnitte untergliedert werden können;

​

  • den Text aufgrund dieser Struktur analysieren und interpretieren können.

​

​

Strukturebenen

​

In seinem Schreiben über Markus führt der Kirchenvater Papias von Hierapolis aus:

​

Markus hat die Worte und Taten des Herrn, an die er sich als Dolmetscher des Petrus erinnerte, genau, allerdings nicht ordnungsgemäß, aufgeschrieben. Denn er hatte den Herrn nicht gehört und begleitet; wohl aber folgte er später, wie gesagt, dem Petrus, welcher seine Lehrvorträge nach den Bedürfnissen einrichtete, nicht aber so, daß er eine zusammenhängende Darstellung der Reden des Herrn gegeben hätte. Es ist daher keineswegs ein Fehler des Markus, wenn er einiges so aufzeichnete, wie es ihm das Gedächtnis eingab. Denn für eines trug er Sorge: nichts von dem, was er gehört hatte, auszulassen oder sich im Berichte keiner Lüge schuldig zu machen. (zitiert nach Eusebius, Kirchengeschichte 3.39.15)

​

Das bedeutet, dass Markus alles ganz genau aufschrieb, wenn auch nicht in der richtigen chronologischen Reihenfolge. Er gliederte sein Evangelium nach einer selbst entworfenen Struktur. Der Kirchenvater Papias kann darin nichts Verwerfliches sehen.

​

Mittels eines bestimmten Aufbaus wollten antike Autoren ihre Botschaft effektiver kommunizieren. Aber wie können wir diese Strukturen identifizieren, wenn es keine gliedernden Elemente in den alten Handschriften gibt – wie Kapitelüberschriften, Versnummern, Aufzählungspunkte oder hervorgehobene Textstellen? Da hilft es, wenn man auf Dinge wie Wiederholungen, Parallelen, Änderungen im Stil oder Szenenwechsel achtet. Wenn wir das Evangelium des Markus auf diese Weise analysieren, wird deutlich, dass es sehr strukturiert ist. Tatsächlich hat es sogar verschiedene Strukturebenen. Um dies zu verstehen, können wir das Evangelium mit einem menschlichen Körper vergleichen.

Anatomical drawing of human person

(Bild: Gerd Altmann auf Pixabay)

So wie wir den menschlichen Körper im Hinblick auf verschiedene Systeme betrachten können, wie z. B. das Skelett, das Herz-Kreislauf-System, das Verdauungssystem, so können wir verschiedene Strukturebenen im Markus-Evangelium erkennen, angefangen mit der grundlegendsten Ebene, die mit dem Skelett im Körper vergleichbar ist. Achten Sie beim Analysieren darauf, wie Markus diese Strukturen nutzt, um seine Botschaft effektiver zu kommunizieren. 

​

​

Die Grundstruktur

​

Das Grundgerüst

​

Was bildet die Grundstruktur oder das Skelett des Evangeliums? Unsere Antwort hängt davon ab, was für uns wichtiger ist. Wir können das Evangelium nach thematischen oder geografischen Gesichtspunkten gliedern. Die thematische Struktur orientiert sich an den Aussagen des Eröffnungsverses:

​

Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, Gottes Sohn. (Mk 1, 1)

​

Wir sahen schon, dass Markus sein Evangelium schrieb, um Jesus als den Christus und den Sohn Gottes vorzustellen. Bei der Analsyse des gesamten Evangeliumstextes gewinnt man den Eindruck, als wenn Markus ihn nach diesen Aussagen strukturiert hätte. So lesen wir in Kapitel 8:

​

Da fragte er [Jesus] sie: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Simon Petrus antwortete ihm: Du bist der Messias! (Mk 8, 29)

​

Gegen Ende des Evangeliums finden wir ein anderes Bekenntnis, diesmal von einem römischen Soldaten.

​

Als der Hauptmann, der Jesus gegenüberstand, ihn auf diese Weise sterben sah, sagte er: Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn. (Mk 15, 39)

​

Es scheint, als habe Markus zu Beginn seines Evangeliums sein Thema vorgestellt und es anschließend entsprechend entfaltet. Das Korpus des Evangeliums lässt sich in zwei Teile gliedern. Der erste Teil endet mit der Offenbarung Jesu als Christus oder Messias, und der zweite Teil schließt mit der Offenbarung Jesu als leidender Messias und Sohn Gottes.

​

Diesen beiden Teilen geht eine Einführung voraus, am Ende folgt ein längerer Schlussteil. Auf der Grundlage dieser Beobachtungen können wir das Evangelium folgendermaßen gliedern:

​

  1. Einführung in das Evangelium (1, 1-13)

  2. Hauptteil

    • Teil 1: Die Offenbarung Jesu als Messias (1, 14-8, 30)

    • Teil 2: Die Offenbarung Jesu als leidender Messias und Sohn Gottes (8, 31-16, 8)

  3. Schlussteil mit sogenanntem ,Markusschluss' (16, 9-16, 20)​​​

Map of Mark's gospel according to theme

(Grafik des Markusevangeliums nach Thema. Zum Vergrößern anklicken.)

Wir können das Evangelium aber auch nach der im Text erwähnten Geografie gliedern. Jesus beginnt sein öffentliches Leben in Galiläa, macht sich auf den Weg von Galiläa nach Jerusalem und verbringt die letzte Woche seines Lebens in dieser Stadt. Eine Struktur, die auf dieser Geografie basiert, würde so aussehen:  

 

  1. Einführung in das Evangelium (1, 1-13)

  2. Hauptteil

    • Teil 1: Jesus in Galiläa (1, 14-8, 30)

    • Teil 2: Jesus auf dem Weg nach Jerusalem (8, 31-10, 52)

    • Teil 3: Jesus in Jerusalem (11, 1-16, 8)

  3. Schlussteil mit sogenanntem ,Markusschluss' (16, 9-16, 20)​​​

Map of Mark's gospel according to geography

(Grafik des Markusevangeliums nach der Geografie. Zum Vergrößern anklicken.)

Interpretation des Textes entsprechend seiner Struktur

​

Sobald wir die zugrunde liegende Struktur identifiziert haben, hilft sie uns, den Text zu interpretieren. So führt Markus fast alle Wunder Jesu im ersten Teil seines Berichts auf – vor dem Christusbekenntnis des Petrus. Vielleicht will Markus mit Hilfe der Wunder nach und nach die Identität Jesu offenbaren. Nach dem Bekenntnis des Petrus haben sie ihren Zweck erfüllt, und er bedarf ihrer nicht mehr, so dass er sich anderen Themen zuwendet.

​

Die letzten beiden Wunder ereignen sich nach dem Bekenntis des Petrus, als Jesus und seine Jünger unterwegs nach Jerusalem sind. Der Atmosphäre dieses Teils des Evangeliums unterscheidet sich dramatisch vom ersten Teil: Jesus ist nicht mehr der Wundertäter, der große Menschenmengen anzieht. Stattdessen verkündet er wiederholt, dass er leiden und sterben wird. Die Jünger folgen ihm – aber mit Abstand, weil sie Angst haben. Deshalb könnten diese Wunder auch mehr mit der Natur der Jüngerschaft zu tun haben als mit der göttlichen Identität Jesu.

​

Obwohl wir wissen, dass Jesus auch in Jerusalem Wunder vollbrachte – so berichtet z. B. Johannes, dass er dort einen Gelähmten heilte – erfahren wir bei Markus nichts davon. Stattdessen erzählt dieser von drei Begebenheiten: dem Einzug Jesu in Jerusalem auf einem Esel, der Verfluchung des Feigenbaumes und der Tempelreinigung. Theologen bezeichnen diese Taten als symbolische oder prophetische Handlungen, weil sie prophetische Botschaften vermitteln. Sie provozieren eine Reihe von Auseinandersetzungen zwischen Jesus und den jüdischen Autoritäten, was letztere schließlich dazu bringt, ihn zu töten. Die Passion Christi ist das Hauptthema dieses zweiten Teils des Evangeliums.

​

​

Einen Schritt weitergehen

 

Bei genauerer Analyse des Textes stellen wir fest, dass Markus beide Teil wiederum in kleinere Abschnitte untergliedert. So scheinen die beiden Hauptteile der thematischen Grundstruktur in drei Abschnitte gegliedert zu sein – ganz wie ein Triptychon [griech.: dreifach gefaltet, aus drei Lagen bestehend] in der Kunst. Lassen Sie uns diese Struktur genauer ansehen.

"Three abstract pictures on floor" by Jonathan Borba

(Foto: Jonathan Borba auf Pexels)

Die Struktur von Hauptteil 1

​

Die interne Struktur dieses Teils erkennen wir, wenn wir nach Wiederholungen und Stilwechseln suchen. Jeder der drei Abschnitte beginnt ähnlich: Markus gibt eine allgemeine Beschreibung von Jesu Aktivität.

​

Nachdem Johannes ausgeliefert worden war, ging Jesus nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium! (Mk 1, 14-15)

​

Jesus zog sich mit seinen Jüngern an den See zurück. Viele Menschen aus Galiläa aber folgten ihm nach. Auch aus Judäa, aus Jerusalem und Idumäa, aus dem Gebiet jenseits des Jordan und aus der Gegend von Tyrus und Sidon kamen Scharen von Menschen zu ihm, als sie hörten, was er tat. Da sagte er zu seinen Jüngern, sie sollten ein Boot für ihn bereithalten, damit er von der Menge nicht erdrückt werde. Denn er heilte viele, sodass alle, die ein Leiden hatten, sich an ihn herandrängten, um ihn zu berühren. Wenn die von unreinen Geistern Besessenen ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder und schrien: Du bist der Sohn Gottes! Er aber gebot ihnen, dass sie ihn nicht bekannt machen sollten. (Mk 3, 7-12)

​

Jesus zog durch die benachbarten Dörfer und lehrte. (Mk 6, 6b)

​

Achten Sie – trotz der unterschiedlichen Länge – auf die Ähnlichkeit dieser drei Textstellen. Sie erzählen ganz allgemein davon, dass Jesus umherwandert und lehrt, aber sie nennen keine näheren Details  seiner Worte und Taten. Dieser Stil unterscheidet sich von dem Text, der unmittelbar auf jede dieser Textstellen folgt. 

​

Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er Simon und Andreas, den Bruder des Simon, die auf dem See ihre Netze auswarfen; sie waren nämlich Fischer. Da sagte er zu ihnen: Kommt her, mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen. Und sogleich ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm nach. Als er ein Stück weiterging, sah er Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Johannes; sie waren im Boot und richteten ihre Netze her. Sogleich rief er sie und sie ließen ihren Vater Zebedäus mit seinen Tagelöhnern im Boot zurück und folgten Jesus nach. (Mk 1, 16-20)

​

Jesus stieg auf einen Berg und rief die zu sich, die er selbst wollte, und sie kamen zu ihm. Und er setzte zwölf ein, damit sie mit ihm seien und damit er sie aussende, zu verkünden und mit Vollmacht Dämonen auszutreiben. Die Zwölf, die er einsetzte, waren: Petrus – diesen Beinamen gab er dem Simon –, Jakobus, der Sohn des Zebedäus, und Johannes, der Bruder des Jakobus – ihnen gab er den Beinamen Boanerges, das heißt Donnersöhne –, dazu Andreas, Philippus, Bartholomäus, Matthäus, Thomas, Jakobus, der Sohn des Alphäus, Thaddäus, Simon Kananäus und Judas Iskariot, der ihn dann ausgeliefert hat. (Mk 3, 13-19)

​

Er rief die Zwölf zu sich und sandte sie aus, jeweils zwei zusammen. Er gab ihnen Vollmacht über die unreinen Geister und er gebot ihnen, außer einem Wanderstab nichts auf den Weg mitzunehmen, kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel, kein zweites Hemd und an den Füßen nur Sandalen. Und er sagte zu ihnen: Bleibt in dem Haus, in dem ihr einkehrt, bis ihr den Ort wieder verlasst! Wenn man euch aber in einem Ort nicht aufnimmt und euch nicht hören will, dann geht weiter und schüttelt den Staub von euren Füßen, ihnen zum Zeugnis. Und sie zogen aus und verkündeten die Umkehr. Sie trieben viele Dämonen aus und salbten viele Kranke mit Öl und heilten sie. (Mk 6, 7-13)

​

Wieder fällt die Ähnlichkeit zwischen diesen Textstellen auf. Waren die vorangegangenen Textstellen allgemein gehalten und boten nur eine kurze Zusammenfassung, so sind diese nun sehr detailliert. Und sie alle beziehen sich auf die Apostel: Markus nennt sogar ihre Namen, beschreibt ihr Tun und gibt die Anweisungen Jesu für sie wieder. 

​

Die Abschnitte enden folgendermaßen:

​

Da gingen die Pharisäer hinaus und fassten zusammen mit den Anhängern des Herodes den Beschluss, Jesus umzubringen. (Mk 3, 6)

​

Von dort brach Jesus auf und kam in seine Heimatstadt; seine Jünger folgten ihm nach. Am Sabbat lehrte er in der Synagoge. Und die vielen Menschen, die ihm zuhörten, gerieten außer sich vor Staunen und sagten: Woher hat er das alles? Was ist das für eine Weisheit, die ihm gegeben ist! Und was sind das für Machttaten, die durch ihn geschehen! Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria und der Bruder von Jakobus, Joses, Judas und Simon? Leben nicht seine Schwestern hier unter uns? Und sie nahmen Anstoß an ihm. Da sagte Jesus zu ihnen: Nirgends ist ein Prophet ohne Ansehen außer in seiner Heimat, bei seinen Verwandten und in seiner Familie. Und er konnte dort keine Machttat tun; nur einigen Kranken legte er die Hände auf und heilte sie. Und er wunderte sich über ihren Unglauben. (Mk 6, 1-6a)

​

Da fragte er sie: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Simon Petrus antwortete ihm: Du bist der Christus! (Mk 8, 29)

​

Erkennen Sie, was diese Textstellen gemeinsam haben? Wer Jesus begegnet, bildet sich eine Meinung über ihn. Die ersten beiden Meinungen sind negativ: die Pharisäer beschließen, Jesus zu töten, und seine Familie nimmt Anstoß an ihm. Bei der dritten aber bekennt Petrus, dass Jesus der Christus ist. Die folgende Tabelle kann uns helfen, diese Informationen zu veranschaulichen:

Table depicting the structure of the Gospel of Mark
Map of the structure of part 1

(Grafik der Struktur von Teil 1. Zum Vergrößern anklicken.)

Interpretation des Textes entsprechend seiner Struktur

 

Die erkannte Struktur hilft uns bei der Interpretation des Textes. Im ersten Bild des Triptychons (Mk 1, 21-3, 5) sehen wir Jesus an öffentlichen Orten – wie den Synagogen – seine Mission betreiben. Jeder – sowohl das Volk als auch dessen Führer wie die Pharisäer und Schriftgelehrten – wird Zeuge seiner Taten und Lehren. Die einfachen Menschen und Sünder reagieren mit Erstaunen und verherrlichen Gott. Jesus offenbart nach und nach seine wahre Identität: nicht nur als Messias, sondern auch als Gott. Die gebildeten Leute wie die Pharisäer erkennen die Kraft seines öffentlichen Wirkens und sind dadurch so verärgert, dass sie ihn ablehnen und umbringen wollen. Damit porträtiert Markus Jesus als jemanden, der eine gemeinsame menschliche Erfahrung mit uns teilt: Ablehnung.

​

Das zweite Bild des Triptychons zeigt, dass Jesus öffentliche Plätze meidet, nachdem er von den Pharisäern angefeindet wurde. Statt in den Synagogen finden wir ihn nun am See Gennesaret, wo er von einem Boot aus predigt. Er lehrt auch im Bergland von Galiläa. Jesus verbringt viel Zeit allein mit seinen Jüngern. Natürlich kann er den Massen nicht ganz ausweichen, denn die Menschen folgen ihm. Wie im vorherigen Bild wird er abgelehnt, diesmal sogar von seiner Familie.

​

Nachdem er zweimal zurückgewiesen wurde, zieht sich Jesus noch mehr zurück, um mit seinen Aposteln allein zu sein. Im dritten Bild des Triptychons finden wir die Gruppe ständig in Bewegung und oft mit dem Boot unterwegs, um den Menschenmassen aus dem Weg zu gehen. Unterwegs lehrt er die Apostel vertraulich im engsten Kreis. Sie verlassen sogar das Gebiet von Israel, um fremde Orte wie Gadera, Tyrus, Sidon und Caesarea Philippi aufzusuchen. Auf dem Weg fragt er seine Jünger: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Diesmal erhält er endlich eine positive Antwort. Petrus bekennt: „Du bist der Christus.“ Geduld und Arbeit Jesu beginnen sich auszuzahlen. Dies ist eine der wichtigsten Textstellen im ganzen Evangelium. Alles läuft darauf zu. Doch obwohl die Antwort des Petrus richtig ist, läuft Jesus noch immer Gefahr, von Petrus und den anderen Apostel missverstanden zu werden. Deshalb gebietet er ihnen, niemandem von ihm zu erzählen.

​

​

Die Struktur von Hauptteil 2

​

Nach dem Bekenntnis des Petrus leitet Markus zum zweiten Hauptteil des Evangeliums über, der ebenfalls in drei Abschnitte gegliedert werden kann. Diese Untergliederung ist leichter zu erkennen als im ersten Hauptteil. Im ersten Abschnitt befindet sich Jesus auf dem Weg nach Jerusalem. Er lehrt seine Apostel wie bisher, aber er vollbringt keine Wunder mehr, um durch sie seine Identität zu offenbaren. Stattdessen bereitet er seine Jünger darauf vor,  dass er, obwohl er der Christus ist, leiden und sterben wird. Er wiederholt das dreimal, aber die Apostel verstehen ihn nicht und haben Angst. Deshalb muss er sie auch über das Wesen der Jüngerschaft belehren. Er sagt ihnen, dass sie als seine Jünger ihr Kreuz auf sich nehmen und ihm folgen müssen.

​

Das zweite Bild des Triptychons zeigt uns Jerusalem, genauer gesagt den Tempel, bzw. die Gegend um den Tempel, der ein Ziel auf dem Weg Jesu ist. Wie die Propheten vor ihm, vollzieht er eine Reihe symbolischer Handlungen: Er zieht auf einem Esel reitend in Jerusalem ein, er verflucht einen Feigenbaum, und er treibt die Händler aus dem Tempel. Diese Handlungen offenbaren seine Autorität. Er kommt als Richter und Herr über den Tempel. Natürlich hat dies weitere Auseinandersetzungen mit den religiösen Autoritäten zur Folge, die schließlich dazu führen, dass er abgelehnt und getötet wird. Im dritten Bild des Triptychons sehen wir Jesu Leiden, sein Sterben und seine Auferstehung.​

Map of the structure of part 2

(Grafik der Struktur von Teil 2. Zum Vergrößern anklicken.)

Zusammenfassung

​

Viele Menschen befassen sich mit einzelnen Textstellen, die sie losgelöst vom Rest des Textes betrachten, ohne sich um die Grundstruktur des Evangeliums zu kümmern. Doch ohne dieses Skelett gewinnt man den Eindruck, als habe Markus zusammenhanglos eine Reihe von Wundern aneinandergereiht. Das Erkennen der Textstruktur hilft uns, die Intentionen des Markus ebenso zu verstehen wie die Bedeutung der von ihm erzählten Wunder.

​

Die Struktur hilft uns auch bei der Interpretation der Taten Jesu. Er beginnt seine Mission, indem er an öffentlichen Orten – wie den Synagogen – predigt und heilt. Während die Menschen voller Staunen sind und Gott lobpreisen, reagieren die religiösen Behörden alarmiert und beschließen schließlich, ihn zu töten. Angesichts dieser erfahrenen Ablehnung meidet Jesus im weiteren Verlauf öffentliche Plätze. Er zieht sich in einsame Gebiete zurück und verbringt mehr Zeit mit seiner Familie und seinen Verwandten, bis auch diese ihn ablehnen. Schließlich zieht er sich noch mehr zurück. Er möchte mit seinen Jüngern allein sein, um sie im engsten Kreis zu unterweisen.  

​

Sobald die Apostel Jesus als Messias erkannt haben, ändert er seine Strategie und macht sich auf den Weg nach Jerusalem, um dort zu sterben. Unterwegs bereitet er die Apostel darauf vor. Sie folgen ihm, weil sie glauben, dass er der Christus ist, aber gleichzeitig zögern sie, weil sie nicht verstehen, was er mit seinem Leiden und Sterben meint. Etliche Handlungen Jesu in Jerusalem entfachen die Auseinandersetzungen mit den religiösen Behörden  aufs Neue und führen am Ende zu seiner Verurteilung und seinem Tod.

 

Dies ist kurz gesagt der Aufriss des Markus-Evangeliums, den wir durch die Analyse der Textstruktur erkennen können.

​

​

Aufgaben

​

  • Welche Grundstruktur bevorzugen Sie – die thematische oder geografische? Erklären Sie warum!

​​

​​

  • Suchen Sie alle Wunder Jesu im Markusevangelium heraus und tragen sie diese in die Tabelle ein! So sehen Sie auf einen Blick, wo Markus sie platziert hat. Dazu können Sie die angehängten Dateien verwenden (in Excel- oder PDF-Format). Bitte lesen Sie den Abschnitt „Vorschläge für Studenten“ auf der Seite Erste Schritte“, wenn Sie nicht verstehen, was Sie tun sollen!

bottom of page